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Elstern, gefährden sie die
kleineren Singvögel?



Merkblatt (58 kB)

Elster © Daniel Hardegger
 
Verletzte oder kranke Vögel  
Elstern

Text und Bilder: Schweizerische Vogelwarte Sempach
Elstern: Gefährden sie andere Singvögel?
Bei der Schweizerischen Vogelwarte Sempach sind in den Jahren 1984–1997 1190 Meldungen aus der ganzen Schweiz über die Entwicklung der Elsternpopulationen eingegangen.
58% der Melder stellten gleichbleibende, 29% zunehmende und 13% abnehmende Bestände fest. Insgesamt kann man also von gleichbleibenden bis leicht zunehmenden Elsterbeständen sprechen. Untersuchungen in verschiedenen Städten des Auslandes und Beobachtungen im Inland haben jedoch gezeigt, dass die Elster verstärkt Städte und Dörfer besiedelt.
Welches sind die Gründe für die Zunahme der Elstern im Siedlungsgebiet?
Hierzu gibt es folgende Vermutungen:
  • weniger Feinde (z.B. Habicht und Rabenkrähen) im Stadtbereich
  • geringe Bejagung durch den Menschen
  • “Flucht” aus der ausgeräumten Kulturlandschaft
  • Fähigkeit zur raschen Gewöhnung an veränderte Umweltbedingungen
  • ganzjährig ein gedeckter Tisch (Komposthaufen).

 

Elster © Vogelwarte Sempach


Wird die Elster im Siedlungsgebiet noch häufiger?
Vermutlich wird die Elster vorerst in manchen Städten und Dörfern noch weiter zunehmen. Es gibt jedoch zahlreiche Regulationsmechanismen, welche eine unbegrenzte Zunahme der Elsternbestände verhindern. So treten bei hoher Bestandsdichte vermehrt  Nichtbrüter auf, welche die Brutpaare bei der Jungenaufzucht erheblich stören können und so den Bruterfolg schmälern. Zwischen benachbarten Brutpaaren nimmt die Aggression bei zunehmender Bestandsdichte zu. Auch durch das beschränkte Nahrungsangebot wird der Elsternbestand in Grenzen gehalten. Schliesslich haben selbst die Stadtelstern natürliche Feinde. Besonders Rabenkrähen vertreiben sie oft von ihren Nestern und rauben Eier und Junge.

Was frisst die Elster?
Die Elster ist ein Allesfresser. Insekten und vielerlei Pflanzenteile (Getreidekörner, Eicheln, Sämereien) bilden die Hauptnahrung. Daneben frisst die Elster auch Mäuse, Jungvögel, Eier und Abfall.
Elster © Vogelwarte Sempach

Wie gross ist der Anteil von Kleinvögeln an der Elsternnahrung?
Untersuchungen aus ganz Europa zeigen, dass der Vogelanteil an der Elsternnahrung stark schwankt, im Schnitt aber nur 2–3 Gewichtsprozente ausmacht. Der höchste Wert (7,6 Gewichtsprozent der Nahrung für die Elsternnestlinge) wurde in einer holländischen Untersuchung ermittelt. Auch in diesem Beispiel waren jedoch nur 0,4% der Beutestücke Vögel, Eier oder Nestlinge.

Schaden Elstern den Kleinvögeln?
Elster © Vogelwarte Sempach Lokal kann der Bruterfolg von Kleinvögeln durch Elstern geschmälert werden. So kommt eine belgische Studie  zum Ergebnis, dass Elstern etwa jedes vierte Freibrüternest ausraubten. Die meisten Singvogelarten brüten jedoch mindestens zweimal im Jahr und können Gelegeverluste bis in den Juli hinein durch Ersatzgelege ausgleichen. Im Frühsommer lässt der Druck der Elster beträchtlich nach, da nur noch ein kleiner Teil der Elstern eine eigene Brut zu verpflegen hat.  
Über grössere Siedlungsgebiete betrachtet konnte noch nie eine durch Elstern verursachte Bestandsabnahme bei Kleinvögeln festgestellt werden. So nahm in Osnabrück zwischen 1984 und 1991 nicht nur die Elster stark zu, sondern gleichzeitig auch der Brutbestand von 17 Kleinvogelarten (um durchschnittlich 30%). Sogar die Amsel , deren Nester nach Aussagen aus der Bevölkerung besonders häufig von Elstern ausgeraubt werden, nahm um 48% zu. Als einzige Art nahm die Kohlmeise ab. Meisen sind jedoch als Höhlenbrüter nur wenig durch Nesträuber gefährdet. Wir kennen in der Schweiz kein Wohnquartier, aus welchem eine Vogelart wegen den Elstern verschwunden wäre. Die Zunahme der Elster hat also im allgemeinen keinen nachweisbaren Einfluss auf den Bestand von Singvogelarten. Zudem werden in Städten und Vorstädten viel mehr Singvögel durch Hauskatzen getötet als durch Elstern.

Führt vermehrter Abschuss zur Reduktion der Elstern?
Kaum, denn freie Brutplätze werden bald von umherstreifenden Nichtbrütern eingenommen. Die Elster ist in allen Kantonen jagdbar, aber nur in den Kantonen GL, GR, JU und VD dürfen mit entsprechender Bewilligung auch Nicht-Jäger Elstern schiessen.

Gibt es Möglichkeiten, einzelne Vogelbruten vor Elstern zu schützen?
Bestehende Nester von Freibrütern können kaum geschützt werden. Die Gefahr, dass die Eltern das Nest wegen Störungen verlassen, ist zu gross. Vorsorglicher Schutz ist jedoch möglich. Dichte Dornsträucher und dekkungsreiche, einheimische Gehölze (Schwarzdorn, Weissdorn, Wildrosen, Schwarzer Holunder) bieten den Kleinvögeln relativ sichere Neststandorte. Für Rotschwänze und andere Nischenbrüter ( Bachstelze, Grauschnäpper ) wurde ein sicherer Dreiecknistkasten entwickelt. Dieser kann bei der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach bezogen werden (Preis: Fr. 24.– plus Versandspesen, Stand April 1998).

Literatur:
Glutz von Blotzheim, U.N. & K.M. Bauer (1993): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Band 13/III. Wiesbaden.
Groom, D.W. (1993): Magpie Pica pica predation on Blackbird
Turdus merula  nests in urban areas. Bird Study 40: 50–62.
Keller, V. (1998): Hans Huckebein & Co. – die Familie der Rabenvögel. Freundebericht 1998, Schweizerische Vogelwarte,
Sempach.
Kooiker, G. (1992): Elstern kontra Kleinvögel. Naturschutz heute
24 (3): 22–23.
Witt, K. (1989): Haben Elstern (Pica pica) einen Einfluss auf die Kleinvogelwelt einer Grossstadt? Vogelwelt 110: 142–149.

Impressum: Merkblätter für die Vogelschutzpraxis
© Schweizerische Vogelwarte Sempach und Schweizer Vogelschutz SVS – BirdLife Schweiz, Sempach und Zürich.
Autor: R. Graf