Römische Bauten und Siedlungsreste der Jungsteinzeit: Das Ufergebiet des Greifensees birgt viele Zeugnisse der Vergangenheit.
Wer den Auffahrtstag zu mehr nutzen wollte als zum blossen Ausspannen, der konnte am späten Nachmittag
von Riedikon nach Greifensee spazieren
und dabei in eine Jahrtausende alte Welt
abtauchen. Organisiert wurde die Exkursion
von der Gesellschaft für Naturund
Vogelschutz Uster, geleitet von drei
Archäologen.
Phantasie walten lassen
Bereits zu Beginn forderte Patrick
Nagy von der Kantonsarchäologie
Zürich die Teilnehmenden dazu auf,
während der ganzen Wanderung die eigene
Phantasie walten zu lassen. Dank
rekonstruierten Bildern und der lebendigen
Erzählweise der drei Archäologen
wurde diese auch entsprechend angeregt.
Am Seeufer bei Riedikon befand sich
in der Jungsteinzeit eine grosse Pfahlbausiedlung.
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Kurt Altorfer, ebenfalls
Mitarbeiter der Kantonsarchäologie
Zürich, zeigte anhand von Fotografien dickwandige Keramikgefässe, die in dieser Siedlung hergestellt worden waren.«Diese Keramikgefässe sind etwas furchtbar Wüstes. Jeder Student, der sich zum ersten Mal damit beschäftigt, denkt, die Menschen, die diese hergestellt
haben, waren primitiv. Doch dasstimmt nicht, sie waren Meister in der
Keramikverarbeitung. Man muss aufpassen
mit solchen Vorurteilen», so Altorfer.
Zerstörung in der Neuzeit
In der Kiesgrube zwischen Riedikon
und Uster hatte man beim Kiesabbau im
19. Jahrhundert interessante Funde aus
der römischen Zeit gemacht. Damals glichen
aber die Ausgrabungen eher einer
Schatzsuche. Es wurde vorwiegend
nach besonders schönen Gegenständen
gesucht. Nagy wies an dieser Stelle auf
ein wichtiges Problem in der archäologischen
Arbeit hin.
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So seien die letzten 150 Jahre verheerend gewesen für die archäologischen Fundstellen. Im Zuge der Industrialisierung und der daraus resultierenden Landschaftsveränderungen
seien viele, noch nicht entdeckte Fundstellen zerstört worden.
Einen wunderbaren Einblick in die
Bronze- und in die Eisenzeit gaben die
Schmuckstücke und Werkzeuge, welche
Gisela Nagy, freischaffende Archäologin,
während des Rastens im Seebad
Uster vorführte: schwere Armreifen aus
Bronze, welche die «Normalverbraucherinnen
» getragen hatten, und dicke Glasreifen,
welche die Handgelenke der damaligen
«Schickeria» geschmückt hatten.
Auch die Männer trugen übrigens
Schmuck. Vor allem bronzene Nadeln,
die wahrscheinlich einen Umhang zusammenhielten.
Komplexes Wirtschaftsgefüge
Alle Teilnehmer waren fasziniert
vom Spaziergang durch die Jahrtausende.
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Besonders aber überraschten
Kurt Altorfers Ausführungen bei Storen
im Naturschutzgebiet zwischen Uster
und Greifensee.
Auch hier befand sich einst eine
grosse Pfahlbausiedlung, die vermutlich
bis in die Bronzezeit hinein bestanden
hatte. «Lange Zeit hatte man die Vorstellung,
dass es sich bei solchen Siedlungen
um idyllische kleine Dörfer gehandelt
hatte, doch in den letzten Jahren
mussten wir diese Ansicht revidieren.
Das Wirtschafts- und Handelsgefüge
war sehr komplex.»
Bewiesen wurde das unter anderem
durch gefundene Dolche, deren Feuersteinklingen
aus dem Mittelmeerraum
und aus Frankreich stammen. Die Menschen
aus der Region Greifensee haben
also mit Menschen aus diesen Regionen
Handel getrieben.
Schwierige Entscheidungen
Zum Schluss wies Altorfer auf heutige
Schwierigkeiten der Archäologie
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Zum Beispiel produzieren die Motorboote
im See Strömungen, welche
Gesteinsschichten freilegen und sie somit
der Erosion aussetzen. So könne innerhalb
von zehn Jahren die Siedlungsschicht
eines ganzen Jahrtausends zerstört
werden.
Und diese Quelle sei dann unwiderruflich
verloren. «Ausserdem muss ein
Archäologe schwierige Entscheidungen
treffen. Wenn ich entscheide, um welche
Fundstelle und welche Aspekte man
sich kümmern soll und um welche
nicht, dann entscheide ich, was der
Nachwelt hinterlassen wird.» (jho) |
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